Am Montag vor zwei Wochen dachte ich, ich wäre einfach überarbeitet. Kein Wunder, es war ein übertrieben volles Wochenende mit wenig Schlaf und viel Aufregung.
Den Freitag vor dem vollen Wochenende verbrachte ich auf einer Busreise mit den Seniorinnen und Senioren. Kurz nachdem wir wieder in heimischen Gefilden waren, fand das abendliche Taizégebet in der Kirche statt mit anschließendem geselligen Beisammensein. Unsere ukrainischen Gäste konnten am Samstag spontan in eigene Wohnungen umziehen und der Umzug musste in den Tagen davor organisiert werden. Der neue Konfijahrgang traf sich parallel das erste Mal und für den Abend hatte ich Konzerttickets mit Rahel. Am Sonntag war Familiengottesdienst mit Seifenblasensegen und Windräderbasteln, danach eine Bandprobe und abends ein eigenes, kleines Konzert.
Alles schöne und gute Sachen, auf die niemand hätte verzichten wollen. In der Kombination und in der Kürze der Zeit war es ein richtiger Marathon und ich bin unendlich dankbar und kann immer noch nicht fassen, dass alles einigermaßen geklappt hat, vor allem der Umzug.
Am Mittwoch wurden die Mietverträge unterschrieben. Bis Samstag konnte ich einen Transporter plus Fahrer, einige Möbel und Umzugshelfende finden (die Konfis konnten gleich mit anpacken) – alle ehrenamtlich, alle so kurzfristig einsatzbereit, irre. Als unsere Gäste Anfang April ins Gemeindehaus zogen, hatten sie kaum mehr als ein paar Taschen und Rucksäcke. Als die Sachen der zwei Familien am Samstag vor zwei Wochen nach unten vor das Gemeindehaus gebracht wurden und ich den Transporter zum ersten Mal sah bekam ich einen leichten Panikanfall. In den paar Wochen war Einiges dazugekommen, teilweise aus der Ukraine geschickt, teilweise aus Spenden. Wie sollte das denn alles passen?
Alexander, der Fahrer des Transporters, beruhige mich. Das wird schon alles, das passt rein, ich seh das. Alexander hatte an dem Tag jedoch nur Zeit für eine Fahrt (die Wohnungen sind in einer Stadt in der Nähe, aber es dauert schon insgesamt eine Stunde Fahrt). Es war gut, dass zusätzlich noch drei Autos im Einsatz waren, wovon zwei am Morgen noch gar nicht wussten, dass sie mitfahren würden. Was das alles für ein großes Glück war realisierte ich in diesen hektischen Momenten nur ansatzweise und wenn das dazugehörige Gefühl einsetzte, bekam ich einen dicken Kloß im Hals und feuchte Augen. Ohne diese, unsere Leute und ihre Hilfe hätte das nicht funktioniert. Zu viel Raum konnten ich meiner aufkommenden Rührung ohnehin nicht geben, denn im Gemeindesaal warteten die Konfis und dachten darüber nach, wie sie am Tag darauf das Basteln der Windräder erklären und sich selbst dabei der Gottesdienstgemeinde etwas vorstellen könnten. Und was sie mit auf das Konficamp am nächsten Wochenende nehmen würden. Es ist eine kleine, feine Truppe in diesem Jahrgang. Ich bin gespannt, wie es mit denen wird.
Am späten Nachmittag, als die Konfis nach Hause gegangen waren, fuhr ich die letzte Fuhre mit Auto Ross in die neuen Wohnungen. Dinge für das Baby. Ein paar Stühle. Einige Kisten. Zum Glück ist Ross ein Kombi. Zum Glück gibt es Mate-Limonade und Kaffee. Die neuen Wohnungen sind frisch saniert. Neue Küchen. Neue Bäder. Ein Blick ins Grüne. Hoffentlich gute Orte für unsere ehemaligen Gäste. Gemeinsam luden wir das Auto aus. Nach einem Glas Wasser und einer kurzen Pause fuhr ich zurück. Erschöpft und erleichtert, beglückt und trotzdem noch angespannt. Viele Ämtergänge stehen für die Ukrainerinnen noch an. Wer wird ihnen nun vor Ort helfen?
Das Konzert mit Rahel war großartig, laut, staubig, so viele Menschen und so viel Spaß. Ich tanzte und sprang und sang mit, so laut ich konnte. Tausende um uns herum taten dasselbe. Ich scheuchte und hüpfte die Anspannung und die Sorge aus meinen müden Knochen. Ich hatte vergessen wie gut das tut, auf diese Weise mal den Kopf auszuschalten.
Der Gottesdienst am nächsten Morgen war bunt und trubelig. Die Konfis machten ihre Sache charmant und fröhlich. Meine Stimme war etwas tiefer und rauher als sonst, kein Wunder nach dem letzten Abend. Ab und an musste ich husten. Ich schiebe es auf den Staub an der Freilichtbühne. Beim anschließenden Proben für das kleine Konzert am Abends merke ich, wie müde ich bin. Mate. Kaffee. Ab und zu mal hinsetzen. Aber das Singen und Spielen macht Spaß und gibt Energie. Auch abends bei dem Konzert in einem Kirchgarten in der Nachbarschaft. Ein Sommerabend, kühle Getränke, Musik und entspannte Stimmung – ich bin ziemlich durch und ziemlich zufrieden.
Es gab also genug Gründe, am Montag richtig erschöpft zu sein. Dass es dann doch das Virus war, überraschte mich. Im Fiebertrudel der ersten Tage hatte ich immer wieder das Logo des Jobcenters vor Augen. Wäh. Wenn mich diese Briefe schon so stressen, wie muss es dann erst für die Ukrainer:innen sein? Und natürlich hatte ich große Sorge, dass ich jemanden angesteckt haben könnte. Niemand ist krank geworden, Gott sei Dank. Die Konfis konnten aufs Camp und hatten scheinbar auch so eine großartige Zeit (dank toller Kolleginnen und Kollegen). Ich hab geschlafen, gelesen, gebingt und gestaunt, was alles in so kurzer Zeit geschehen kann. Und wie gut es doch ist, nicht alles alleine stemmen zu müssen und zu können. Gut für alle.