Christmas came early this year. Für mich gefühlt auch noch extra early, denn das garstige Virus erwischte mich kurz nach dem 3. Advent. Lauter schöne Sachen habe ich so verpasst – eine Adventsfeier, einen Busausflug mit den Senior:innen in meine Vikariatsgemeinde, zwei Konzerte. Vorteil war, dass ich bei einigermaßen klarem Kopf die Gottesdienste für Weihnachten vorbereiten konnte: einen Gottesdienst mit der Jungen Gemeinde und ihrem Krippenspiel, die Christvesper, die Christnacht um 23 Uhr und den Gottesdienst am 1. Weihnachtsfeiertag.
Dass Weihnachten jedes Jahr ein ziemlicher Kraftakt ist weiß ich. Das eine oder andere Drama im Vorfeld lässt sich dabei einfach nicht vermeiden. Im Presbyterium hatten wir Pandemie-bedingt quälende und nervenaufreibende Sitzungen (Gottesdienste in Präsenz oder nicht?) die immer noch nachwirken. Ich erinnere mich an lange Abende mit dem Vikar und dem Diakon, in dem wir wie die Verrückten bastelten, DVDs und CDs brannten, vorbereiteten. Eltern werden komisch („Unsere Kinder möchten mit ihren Künstlernamen im Abspann genannt werden!“). Mitarbeitende werden komisch (verschwinden kurzfristig/halten sich nicht an Absprachen/werden zickig oder stumm). Menschen in den Gottesdiensten werden komisch („All diese Kerzen! Das ist ja lebensgefährlich!“ „Früher…“ „War das alles? Ich hatte mehr erwartet..“).
In diesem Jahr kam das Anstrengende aus einer Ecke, die ich überhaupt nicht erwartet hatte. Von wegen, dass ich jetzt mal langsam weiß, wie der Hase im Pfarrdienst so läuft. Der Hase läuft nämlich auch komisch, und das besonders an Weihnachten, wo die Erwartungen und Hoffnungen bei allen groß sind. Und außerdem werde ich möglicherweise älter und gehöre jetzt einer Generation an, die der Jugend nicht mehr so richtig nahe ist. Autsch.
Die Junge Gemeinde hatte es bei uns im letzten Jahr nicht leicht. Lange gab es keine wirkliche Leitung, die Gruppe dümpelte Werwolf-spielend aber scheinbar auch zufrieden vor sich hin. Im Herbst dann fand sich eine Studentin, die freudestrahlend die Gruppe übernahm. Seitdem ist die JG um über die Hälfte geschrumpft. Ständig gab es Diskussionen mit der Studentin: um die Stunden, um das Stellenprofil, um das Geld („so KANN ich nicht arbeiten!“), um das Verhältnis zur Konfi-Zeit, um das Essen (wegen des Geldes), um Möglichkeiten, mehr Geld zu bekommen. Gut, wenn ich das hier so aufschreibe fällt mir auf, dass ich hätte aware sein können, wo der Hase sein würde. Seufz. Noch nie hatte ich mit dieser eigentlich netten Nebenjob-Stelle so viel Arbeit.
Drei Tage vor Weihnachten kam dann (so typisch!) alles zusammen. Die angefressene Studentin („Du behandelst mich von oben herab! Und die Jugendlichen haben Angst vor dir!“), eine teilweise offen pissige JG („Nie hört man mir zu! Da sollst du nicht sitzen. Da auch nicht. Sonst haben wir keinen Platz! Warum sollen wir für die aufräumen“) und ich mittendrin und mit Versuchen, die Lage zu überblicken und wenigstens Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten (Wertschätzung, Interesse, Nachfragen..). Der JG-Gottesdienst an Heiligabend war dann – wie die anderen Gottesdienste auch – tatsächlich schön und eine runde Sache – aber es war ein hartes Stück Arbeit, die Stimmung zu halten.
Es ist eigenartig mit dieser kleinen Anti-JG, die plötzlich in Fronten denkt (fiese Gemeinde – arme JG) und austeilt gegen das Presbyterium, gegen die alte JG, gegen meine Arbeit. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Und nicht im Traum daran gedacht, dass die Jugend auch mal (mindestens) komisch sein kann. In meinem Kopf waren die irgendwie immer fairer und zugewandter. Aber – und das ist meine neue Erkenntnis – warum sollten die jungen Leute anders sein als der Rest der Gemeinde, wo auch immer irgendwo wer an irgendwas aneckt und sich reibt? Auch die Jugend (und ebenso die für sie im Nebenjob Angestellte ) arbeitet sich ab an dem, was sie mit Gemeinde verbindet und wahrnimmt. Und natürlich auch an Autoritäten und damit zwangsläufig auch an meiner Rolle. Es menschelt überall. Noch dazu nach diesem Jahr, das vermutlich allen sehr unter die Haut gegangen ist.
Christmas came early. Aber christmas came. Es fällt mir in diesem Jahr nicht leicht meinen Frieden mit diesem Weihnachten und seinen Themen zu machen. Ich merke, dass ich nicht richtig loslassen kann. Anderseits: an Weihnachten geht es ja auch um einen anderen Frieden, der in die Welt kommt. In diese komische, spannungsreiche, überfordernde Welt und in ihre komischen, angespannten und überforderten Leute (wie mich). Da wird er ja auch gebraucht. Und ich hoffe und bete dass es mir gelingt, davon zu erzählen und das nicht nur an Weihnachten und nicht nur (aber natürlich auch) in der Kirche. Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids [..] Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Also – Friede sei mit euch!