Ein Spiel, das ich vor Jahren mal aus Taizé mit nach Hause gebracht habe, geht so:
Eine*r aus der Gruppe verlässt den Raum. In der Zwischenzeit beschließen die anderen eine Person aus dem Kreis der Gruppe, die „dran“ sein soll. Der Mensch von draußen wird wieder reingeholt und hat nun die Aufgabe herauszufinden, wen die Gruppe ausgewählt hat. Das macht er oder sie über Fragen wie „Wenn die Person eine Farbe wäre, welche Farbe hätte sie…?“ oder „Wenn die Person ein Land wäre, welches wäre sie..?“. Hier geht es also um Assoziation und auch um Selbst – und Fremdwahrnehmung.
Eigentlich bin ich ein ausgemachter Spielemuffel. Kaum eine*r aus meinem Freundeskreis würde auf die Idee kommen, mich auf einen Spieleabend mit Risiko oder die Siedler von Catan einzuladen. Grau-en-voll. Mir ist klar, dass ich dabei auch auf Geselligkeit verzichte. Wahrscheinlich werde ich niemals Teil eines Doppelkopf-Teams oder einer regelmäßigen Pokerrunde. Manche haben vielleicht etwas Mitleid mit mir. Ich bin zufrieden, wenn ich liebe Menschen, etwas zum Essen und Trinken und im Idealfall noch Musik da habe. Dass ich auf zu vielen Geburtstagen Werwölfe im Düsterwald spielen musste, erwähnte ich hier schon an anderer Stelle. Betrüblich ist: die Konfis lieben es. Obwohl sie nicht einmal besonders gut darin sind. Sie denken sich dann irgendwelche abstrusen Geschichten aus („Ich hab doch nachts Licht bei dir im Haus gesehen!“ „Du bist doch bei Mondlicht durchs Dorf gelaufen!“), diskutieren nicht lange (war es nicht das, was angeblich Spaß machen soll?), aber lautstark und bringen ratz fatz irgendwelche unbescholtenen Bürger*innen um, die nix getan haben. Die Konfis haben trotzdem ihre Freude an den Werwölfen. Das freut mich dann auch. Ein bisschen.
Gestern hatten wir Mini-JG. Weil wir uns nur einmal im Monat zur Konfizeit sehen, verabreden wir uns zusätzlich an einem Abend, an dem die Jugendlich einfach so Zeit miteinander verbringen. Sprich: Werwölfe. Seufz. Um der Misere einmal zu entkommen, wollte ich gestern mal einen Film gucken (Sister Act), die Vorfreude war groß. Ich hatte alles gut vorbereitet, Film gekauft und auf dem Laptop ausprobiert, Technik im Gemeindesaal gecheckt (Leinwand, Beamer, Ton – einwandfrei) und pünktlich zum Vorführbeginn tauchte der garstige Fehler 7279 auf und machte ein Abspielen unmöglich. Während ich mit verschiedenen Geräten und Kontaktieren mit dem Kundenservice bei mir im Büro hektisch und teilweise böse fluchend versuchte, den Film doch noch zum Laufen zu bekommen, spielte die Jugend Werwölfe. Sie hatten Spaß, man hörte es laut Lachen und Schreien (wie können die eigentlich so laut sein?). Als ich wieder in den Saal kam, lag ein Glas in Scherben darnieder und Madeleine stand hilflos daneben. Sara, was soll ich denn jetzt machen?
Wenige Minuten später (Madeleine hat Kehrblech und Handfeger schließlich gefunden und auch erfolgreich benutzt) setze ich mich leicht mürrisch (Technik ist die neue Theodizee, oder wie war das?!) in den Kreis. Ok Leute, mit Film wird es nix, tut mir leid. Lasst uns dann doch einfach was spielen. Allgemeine Zustimmung. Ich schnappe die dunkle Box mit den Karten und mische sie ohne große Lust. Also, *seufz* Werwölfe? Lena meldet sich zu Wort, in der Schule müsse sie es so oft spielen, sie mag es einfach nicht mehr und will dann einfach zuhören. Ich verstehe Lena. Ein bisschen leid tut sie mir aber auch (so fühlt sich das also an). Dann mache ich einen Gegenvorschlag. Ehm, hm, gut, dann spielen wir das Psychospiel. Seid ihr dabei? Nicht alle kennen das Spiel, also erkläre ich noch einmal die Regeln (siehe oben). Alle spielen mit, auch Lena, ich bin zufrieden.
Die ersten zwei Runden sucht die Gruppe eine*n Konfi aus. So ganz raus haben sie es mit dem Assoziieren noch nicht. Die Fragenden finden die gesuchte Person immer erst im dritten oder vierten Anlauf. Als Lena schließlich vor die Tür geht, wählt die Gruppe mich als gesuchte Person aus. Das kann ja lustig werden, denke ich und hole Lena wieder rein. Im Kreis stellt sie folgende Fragen und erhält folgende Antworten: Wenn die Person eine Farbe wäre – blau [die Frage ging an mich]; wenn sie ein Tier wäre – Giraffe; wenn sie ein Kleidungsstück wäre – Jeans [ich trage zufällig Jeans], wenn sie ein Schulfach wäre – Musik, gehen auch zwei Fächer? – Ja! – Dann: Musik und Religion [ernsthaft?]; wenn sie ein Gebäude wäre – Kirche [Leute, wie einfach kann man es machen?], wenn sie ein Essen wäre – Salat [hm]; wenn sie ein Beruf wäre – Nonne! Ich starre Tom finster an. Nonne??! Lena blickt am Ende der Fragerunde nun aufmerksam alle einmal an, lächelt wissend und sagt: Die gesuchte Person ist…
Mathilde! Mathilde macht große Augen. Mir entgleiten kurz die Gesichtszüge,dann rufe ich (plötzlich geht Lautstärke ganz leicht) Nein!! Wer könnte es denn NOCH sein? Lena scheint tatsächlich raten zu müssen. Ich kann es nicht ganz fassen. Schließlich kommt sie doch noch -etwas verschämt – auf mich. Manchmal ist aber auch kompliziert und man sieht den (Düster-)Wald vor lauter Pfarrerinnen nicht.
Eben kommt mir der Gedanke, dass ich Tom vielleicht grundlos mit finsterem Blick gestraft habe. Whoopi Goldberg ist ja auch zeitweise Nonne. Und rockt extrem. Außerdem kenne ich echte Nonnen, die auch ohne Gospelmusik auf ihre Weise rocken. Bei Assoziationen gibt es kein richtig oder falsch, das behaupte ich jedenfalls immer großspurig. Also nehme ich jetzt meinen extrem langen Hals und stakse gemächlich Richtung Wasserloch. Habt ein schönes Wochenende!